Abrahams Gast
Abraham, der Gottesfreund, war für seine sprichwörtliche Gastfreundschaft bekannt. Diese ging so weit, dass er nur wenig aß, wenn er allein war, aber wenn er Gäste hatte, bemühte er sich immer, ihnen ein reichhaltiges Mahl anzubieten. Oft lud er auch einfach Vorbeireisende zum Essen ein.
So geschah es eines Tages, dass er einen unbekannten Reisenden als Gast bei sich hatte. Als das Essen aufgetragen war, sagte er zu ihm: "Nun sprich: 'Im Namen Gottes!' und lang zu." Der Fremde erwiderte: "Ich glaube aber gar nicht an Gott," und wollte anfangen zu essen, ohne einen Segenswunsch gesprochen zu haben. Also hielt Abraham seine Hand zurück und sagte: "Wer nicht an Gott denkt, den Geber aller Gaben, der soll auch nicht mit mir essen." Da stand der Gast auf und ging ohne Gruß fort.
Darauf sprach Gott zu Abraham: "Mein Freund, warum hast du deinen Gast gehen lassen?" Abraham antwortete: "Er wollte nicht an Dich denken, den Geber aller Gaben." Gott erwiderte: "Wie kommt es, dass du, Mein Freund, deine Gabe mit einer solchen Bedingung verbindest? Ich lasse doch auch die Sonne scheinen über Gute und Böse und den Regen fallen für Gläubige und Ungläubige. Geh und hole deinen Gast zurück und gib ihm zu essen."
Da schämte sich Abraham und ging hinaus, um den Fremden einzuholen. Als dieser Abraham hinter sich herkommen sah, dachte er: "O weh! Und ich dachte, er wäre nur unhöflich. Aber er scheint wohl auch fanatisch zu sein, so dass er mich jetzt verfolgt." Und er fing an zu laufen.
Abraham lief hinter ihm her, und endlich holte er ihn ein. "Ich möchte mich bei dir entschuldigen," keuchte er, "Gott hat mir für mein Verhalten Vorwürfe gemacht und mir aufgetragen, dich zurückzubitten und zu bewirten, denn auch Er gibt Seine Gaben ohne Bedingungen."
Da nahm der Reisende die Einladung an und dachte: "Einen solchen Gott, der Seinem eigenen Gesandten meinetwegen Vorwürfe macht, möchte ich auch gern näher kennen lernen."